Selbstversorgung – eine Frage der Definition

Selbstversorgung ist in Zeiten einer ständig steigenden Zahl von Lebensmittelskandalen ein wachsendes Thema. Unabhängigkeit, gesunde Lebensmittel und Freiheit sind die Vorteile, die sich Selbstversorger versprechen.
Auch auf Ulrich´s Hof ist Versorgung mit gesunden Lebensmitteln ein Thema und teilweise auch Motivation.

Wer Selbstversorger ist oder nicht, ist einfach nur eine Frage der Definition.

Da ich selbst kein gelernter Bauer bin, nutze ich die größte Wissensquelle, die es auf Erden gibt – das Internet.
Interessiert mich ein Thema rund um die Landwirtschaft, kann ich jederzeit recherchieren, mich erkundigen und mir durch eigene Erfahrungen die nötige Kompetenz aneignen.

Wer einen ökologischen Bauernhof aufziehen möchte, wird dabei auch zwangsläufig mit dem Begriff „Selbstversorgung“ konfrontiert. Und wer sich dazu weiter informiert, wird über kurz oder lang auf Ralf Roesberger alias rrhase und seinen Selbstversorgerkanal bei Youtube stoßen.
So erging es auch mir, seither bin ich ein regelmäßiger Leser seines Blogs.

Vor Kurzem postete Ralf in seinem Blog einen Artikel unter dem Titel Meine Definition von “Selbstversorgung”, oder was macht der Selbstversorger, wenn er Fisch essen moechte. (Video) in dem er die Frage stellt, wann man wirklich ein Selbstversorger ist.

Der romantische Selbstversorger

Der Romantiker unter den Selbstversorgern versteht unter Selbstversorgung ein unabhängiges Leben. Dabei gilt es, unabhängig von allem zu sein.

Wer keinen eigenen Strom erzeugt, hat eben keinen Strom, wer keine heiße Quelle besitzt, wird er sich nur kalt waschen oder eine Menge Holz hacken, um für Warmwasser zu sorgen.
Diese Form von Selbstversorgern stellen natürlich den Idealfall dar.

Aller Unabhängigkeit zum Trotz ist dies nach meiner Meinung in der heutigen Zeit kein Lebensmodell für eine Familie mit Kindern.
Warum? Kinder haben andere Ansprüche, Kinder wachsen in einer anderen Zeit auf, als wir selbst.
Sicher wäre es wünschenswert, wenn sie die selben Wertevorstellungen erwerebn, wie wir sie uns zu eigen machen, wenn wir die Selbstversorgung als Lebensmodell wählen, das ist nicht abzustreiten.
Aber was müssen die Kinder, die unter mittelalterlichen Bedingungen aufwachsen und leben, durch Gleichaltrige erleiden?
In der Kita und später in der Schule?

Leben ohne Strom, ohne fließendes Wasser, ernährt durch Ackerbau und Tierhaltung, passt einfach nicht in die heutige Zeit.
Nicht für Kinder! Jedes Kind sollte die Möglichkeit haben, sein Leben selbst zu gestalten, seine Wertvorstellungen selbst zu ermitteln.
Sicher freut es die Eltern, wenn das Kind die eigenen Vorstellungen annimmt und den eigenen Weg weitergehen will. Aber es sollte die Wahl haben!
Und die hat es nicht, wenn es durch die Eltern zu einem Leben durch vollständige Selbstversorgung gezwungen wird.

Der Selbstversorger im klassischen Sinn hat sich also damit abgefunden, dass er auf vieles verzichten muss. Was ehrenwert ist, weil sehr ökologisch und nachhaltig.
Was sich aber auch die meisten Menschen nicht vorstellen können und wollen. Und auch nicht können, da eine solche Lebensweise oftmals einen gewissen Grundstock an Kapital benötigt, und sei es nur, um das nötige Land zu kaufen.

Dazu finde ich das nachfolgende Video sehr interessant. Es zeigt einen solchen „romantischen“ (man kann auch sagen, radikalen) Selbstversorger. Einfach mal die Zeit nehmen und sich das Video anschauen. In vielem hat der Mann recht.

Der moderne Selbstversorger

Anders sieht das bei der modernen Selbstversorgung aus.
Hier gibt es eine Kombination aus der Selbstversorgung, bzw. dem Wunsch nach einer solchen, und dem modernen, zeitgemäßen Leben.
Das heißt, der Strom kommt aus der Steckdose, das Wasser aus der Leitung und auch sonst wird alles, was benötigt wird, entsprechend zugekauft.

Der eigentliche Unterschied zwischen dem normalen Konsumenten ist, dass der moderne Selbstversorger einen Teil der Produkte für das tägliche Leben selbst produziert.
In den meisten Fällen wird es sich dabei um Nahrung handeln.
Der moderne Selbstversorger bewirtschaftet einen Garten oder auch ein größeres Stück Land, hält sich vielleicht noch Tiere für die Fleischversorgung und Hühner für die Eierversorgung.
Alles, was ich im eigenen Garten ernte und für meinen Verzehr weiterverarbeite, kostet mich in der Regel nur meine Arbeitszeit (bei Tierhaltung natürlich noch das Futter, bei Gemüse das Saatgut).

Dafür bekomme ich als Selbstversorger aber auch einiges zurück:

  • Lebensmittel, deren Herkunft zweifelsfrei feststeht
  • die Gewissheit, dass diese Lebensmittel nur mit den Mitteln in Kontakt gekommen sind, die ich selbst benutzt habe
  • abgesehen von der Arbeitszeit: Lebensmittel fast zum Nulltarif

Das ist schon einiges und lässt sich definitiv auf alles anwenden, was in unseren Gefilden anbaubar ist.
Gleiches gilt für die Tierhaltung.

Was den modernen Selbstversorger vom radikalen Selbstversorger unterscheidet, ist die Bereitschaft, ein gesellschaftlich betrachtet, normales Leben zu führen.
Was der Garten nicht hergibt, wird gekauft. Der moderne Selbstversorger hat TV, Internet, ein Handy oder Smartphone (sicher gibt es auch Ausnahmen), er fährt ein Auto, kleidet sich ganz normal und ist von den anderen Normalos äußerlich kaum zu unterscheiden.

Das ist dann das, was den radikalen Selbstversorgern, oder denen, die auf dem Weg dahin sind, ein Dorn im Auge ist. Diese sind es, die kritische E-Mails an Leute wie Ralf schreiben und sagen, dass das, was er macht, nichts mit Selbstversorgung zu tun hat. Das ist ein Phänomen, welches man bei allen radikalen Gruppierungen findet – man hat sich vom Normalzustand so sehr entfernt, dass man diesen nicht mehr akzeptieren kann und alles kritisiert, was von der eigenen Lebensweise oder Meinung abweicht.

Selbstversorgung in Form eines tragfähigen Konzeptes

Ökologisch erzeugte Lebensmittel für meine Familie und mich, ein Antrieb, um Ulrich´s Hof und damit einen ökologischen Bauernhof zu schaffen und zu betreiben.
Uns stehen ca. 14.000 m² Land zur Verfügung, wovon wir etwa 13.000 m² tatsächlich nutzen könnten. Davon entfallen etwa 60% auf einen verwilderten Wald, den wir in eine Streuobstwiese umwandeln wollen, die restlichen 40% stehen als großer Bauerngarten sowohl für Tierhaltung, als auch Obst- und Gemüseanbau zur Verfügung.

Ingesamt mehr als reichlich für eine moderne Selbstversorgung einer kleinen Familie.

Von daher ist geplant, Ulrich´s Hof als regionalen Versorger aufzubauen und zu etablieren. Mir persönlich ist es wichtig, dass wir so wenig Lebensmittel wie möglich zukaufen müssen. Trotzdem soll mein kleiner Sohn auf nichts verzichten.

Damit bin ich also kein radikaler, sondern ein moderner Selbstversorger. Was sich auch gar nicht vermeiden lässt, da der Kauf des Hauses und des Grundstückes mit Geld erfolgte. Geld, das verdient werden will.

Ich verstehe unter dem Thema Selbstversorgung aber auch ein tragfähiges Konzept.

Warum kann ich kein Selbstversorger sein, wenn ich einen Großteil meiner Lebensmittel selbst anbaue und ernte? Und die Überschüsse verkaufe, um die nötigen Zukäufe tätigen zu können? Oder Rechnungen zu bezahlen? Unter anderem auch das Grundstück abzuzahlen?

Ich meine, ich spreche nicht von einer Landwirtschaft mit zig Hektar Land und Monokulturen, sondern von einem ökologischen Bauernhof mit Obst- und Gemüsebau und Kleintierhaltung. Vielleicht kommen mal noch ein paar Hektar dazu, aber das Ganze soll immer auf ökologischer und nachhaltiger Basis laufen, kein kommerzielles Wachstum, das aus meinem Bauernhof eine Landwirtschaft macht.

In dem Moment, wo der Hof mich ernährt und für meinen Lebensunterhalt ausreichend gut aufgestellt ist, spreche ich davon, dass ich Selbstversorger bin.

Um Ralf´s Frage noch beantworten, was der Selbstversorger macht, wenn er Fisch essen möchte:
Ich gehe zum Fischer im Nachbarort und besorge mir den Fisch ganz frisch und ökologisch. Und ich nehme fast an, dass der Fischer sich auch auf Tauschgeschäfte nach der ersten Ernte einlassen wird. So von Selbstversorger zu Selbstversorger 😉

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